Digitale Transformation in der Agrarwirtschaft

Osnabrück, im November 2023

 

Die Digitalisierung mit vielen innovativen Technologien hält in der Agrar- und Ernährungswirtschaft immer mehr Einzug. Schnell stellt sich da die Frage, wie es um die digitale Qualifizierung in der Agrarwirtschaft generell bestellt ist. Denn auch Landwirte und deren Mitarbeiter und Landmaschinentechniker müssen mit Joystick, Terminal, Roboter & Co. gekonnt umgehen können, damit durch die Digitalisierung Arbeitsprozesse effizienter, sicherer, einheitlicher gestaltet werden können und last but not least der Mensch entlastet wird.

 

Neue Ausbildungsinitiative gegründet                                                                                               

Tatsächlich zeigen sich in den Kompetenzen zu digitalen Anwendungen nach wie vor Lücken. So führt laut Robert Everwand, Geschäftsführer des „Agrotech Valley Forum (AVF)“ der Einsatz „bunter landwirtschaftlicher Flotten“ verschiedener Hersteller, in Verbindung mit teils unterschiedlichen digitalen Technologien, auf Seiten der Nutzer zu einer spürbaren Unsicherheit. Landwirtschaftliche Betriebe und Lohnunternehmen könnten den sinnvollen Einsatz digitaler Technologien noch nicht ausreichend genug einschätzen. Ursachen dafür seien unter anderem das Fehlen von Wissen zu und Erfahrungen mit digitaler Technik sowie ein Defizit passender Schulungen in Sachen Datenkompetenz und Datenschutz. Dies führe dazu, dass digitale Technologien in der Agrarwirtschaft noch nicht im gewünschten Maß eingesetzt würden, fasst Robert Everwand die Ist-Situation zusammen.

 

Kompetente Projektpartner ergänzen sich                                                                                                                 

Das in Osnabrück neu gestartete Projekt „Zentrum für digitale Qualifizierung in der Agrarwirtschaft“ – kurz „ZDQ Agrar“ setzt sich zum Ziel, diese offenen Flanken in der Ausbildung gezielt zu schließen. Mitstreiter der Initiative sind zum einen die Hochschule sowie die Universität Osnabrück mit ihren Kompetenzen in den Bereichen Berufliche Didaktik, Didaktik der Technik und Didaktik der Informatik. Mit im Boot ist das „Agrotech Valley Forum (AVF) e.V.“- ein Zusammenschluss von Unternehmen der Landtechnik und Hochschulen, der die ideale Verbindung zu Landtechnikherstellern und -ausrüstern herstellt. Der AVF setzt sich primär zum Ziel, die digitale Transformation der Land- und Ernährungswirtschaft hin zu einer nachhaltigeren Lebensmittelproduktion voranzutreiben. Die Friedel & Gisela Bohnenkamp-Stiftung, die aus der Osnabrücker Bohnenkamp AG - Großhändler für Reifen, Räder und Fahrzeugkomponenten – hervorgegangen ist, hat sich unter dem Motto „Bildung fördern – alle mitnehmen“ der Unterstützung innovativer, fachlich abgesicherter und auf Nachhaltigkeit angelegter Bildungsprojekte verschrieben. Die Stiftung hat unter anderem die Professur „Autonome, kollaborative Agrar- und Sensorsysteme“ an der Hochschule Osnabrück mit unterstützt und bringt Erfahrungen aus anderen Bildungsprojekten in die neue Digitalisierungsoffensive mit ein. Erst die Förderung durch die Friedel & Gisela Bohnenkamp-Stiftung machte den nun erfolgten Start des „ZDQ“ möglich. Die Initiatoren des „ZDQ“ setzen von Beginn an auf Kooperationen mit weiteren Bildungseinrichtungen, Verbänden und vergleichbaren Initiativen aus dem agrarwirtschaftlichen Umfeld, die in die Projektarbeit mit einbezogen werden sollen.

 

Handlungsorientiertes Lernkonzept                                                                                                            

Auf Basis bestehender Strukturen der Aus- und Weiterbildungslandschaft will die „ZDQ Agrar“-Initiative die Lehrenden anerkannter Bildungsträger wie z. B. Berufsbildende Schulen, DEULA-Einrichtungen oder Kammern u.a. durch passendes Lehrmaterial in ihrer Arbeit unterstützen. Damit werde gleichzeitig die Aus- und Fortbildung von klassischen Anwendern wie Landwirten, Berufsschülern oder Mitarbeiter von Lohnunternehmern spürbar verbessert. Da digitales Wissen durch ständig neu aufkommende Technologien dynamisch sei, werden Lehrende im Rahmen des Qualifizierungskonzeptes durch ständig aktualisierte e-Learning-Angebote begleitet.

Das Ausbildungskonzept verfolgt laut Professor Dr. Harald Strating von der Hochschule Osnabrück (FG Didaktik der Technik) einen handlungsorientierten Ansatz. Heißt: Digitale Prozesse werden für die Lernenden nicht nur erfahrbar gemacht, sondern entlang von konkreten, betrieblichen Arbeits- und Geschäftsprozessen strukturiert, der Nutzen verdeutlicht und Hemmschwellen in der praktischen Anwendung abgebaut. Der Einsatz von Demonstratoren wie bspw. einer Station aus Traktorsitz, Joystick, Terminal und entsprechenden Benutzerschnittstellen kann hierbei unterstützend wirken, ergänzt Professor Dr. Michael Brinkmeier von der Universität Osnabrück (AG Didaktik der Informatik). 

Die Projektbetreiber legen besonderen Wert auf den herstellerübergreifenden und -unabhängigen Transfer von Wissen. Denn nur so könne die enge Verbindung einzelner digitaler Systeme verdeutlicht und ein dezentrales Lehr- und Lernangebot bundesweit angeboten werden.

 

Agrarwirtschaft als Modell für andere Branchen                                                                                     

Noch steckt das Projekt in den Kinderschuhen: Bis Mitte 2025 werden Arbeitsanalysen vorgenommen, am Qualifizierungskonzept gefeilt, erste Schulungsangebote erprobt und Praxiserfahrungen gesammelt. Anfang 2027 soll das neue Qualifizierungsangebot dann öffentlich an den Start gehen. Professor Dr. Michael Martin von der Hochschule Osnabrück (FG Berufliche Didaktik) ist sich jetzt schon sicher, dass dieses Qualifizierungskonzept auch auf andere Bereiche wie z. B. den Garten- und Landschaftsbau oder die Bauwirtschaft übertragen lässt. Michael Prior, Sprecher des Vorstandes der Friedel & Gisela Bohnenkamp-Stiftung, stimmt zu und sieht Chancen, dass sich das „Zentrum für digitale Qualifikation“ auch im Bereich der allgemeinen schulischen Bildung oder in der Ausbildung sozialer Berufe hilfreich etablieren könne.